Erstellt im April 2024, nächste geplante Aktualisierung: April 2029

Autoren: Nastasia Heilemann, Michael Mibs, Lisa-Marie Ströhlein
Wissenschaftliche Beratung: Dr. med. Dagmar Lühmann, Prof. Dr. med. Martin Scherer

Menschen mit Vorhofflimmern haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Durch das Flimmern bilden sich vermehrt Blutgerinnsel. Diese können Adern im Gehirn verstopfen. Das Gehirn erhält an dieser Stelle keinen Sauerstoff mehr und Gehirnzellen sterben ab.

Um einen Schlaganfall zu verhindern können Medikamente eingesetzt werden, die die Blutgerinnung hemmen. Diese Gerinnungshemmer heißen in der Fachsprache Antikoagulanzien. Gerinnungshemmer sollen verhindern, dass in den Blutgefäßen Gerinnsel entstehen, und wirken so einem Schlaganfall entgegen. Gleichzeitig können diese Medikamente als Nebenwirkung u. a. schwere Blutungen verursachen. Weitere Informationen zur Prävention von Schlaganfällen finden Sie hier.

Es gibt verschiedene Arten von Gerinnungshemmern. Zur Vorbeugung von Schlaganfällen werden vor allem zwei Arten eingesetzt: direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) und Vitamin-K-Antagonisten (Vitamin-K-Gegenspieler, abgekürzt VKA). Man nimmt sie als Tablette ein. DOAK sind noch nicht so lange auf dem Markt wie Vitamin-K-Antagonisten.

Sind DOAK wirksamer und sicherer als Vitamin-K-Antagonisten? Wir haben uns Studiendaten angeschaut, die DOAK mit dem Vitamin-K-Gegenspieler namens Warfarin verglichen haben. Dabei haben wir uns auf folgende Fragen konzentriert:

  • Wie gut können die jeweiligen Medikamente einen Schlaganfall verhindern?
  • Wie häufig treten schwere Blutungen als Nebenwirkung auf?

Die hier beschriebene Übersichtsarbeit untersuchte diese Fragen und fasste die Ergebnisse mehrerer randomisiert-kontrollierter Studien (RCT) zusammen.

Was wurde untersucht?

Eine Metaanalyse untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von DOAK im Vergleich zum Vitamin-K-Gegenspieler Warfarin bei Menschen mit Vorhofflimmern und einem erhöhten Schlaganfallrisiko. Dazu analysierten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Daten aus den vier großen randomisiert-kontrollierten Zulassungsstudien der DOAK und fassten sie zusammen.

Personen, die an diesen Studien teilnahmen, wurden in zwei Gruppen eingeteilt:

Die Testgruppe erhielt einen Gerinnungshemmer der Sorte DOAK. Getestet wurden die DOAK Dabigatran, Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban. Je nachdem ob und welche Begleiterkrankungen die Teilnehmenden hatten, bekamen sie eine Standarddosis oder eine reduzierte Dosis.

Die Vergleichsgruppe erhielt den Vitamin-K-Antagonisten Warfarin, wobei sich die Dosierung individuell an einem angestrebten INR-Wert von 2,0 bis 3,0 orientierte.

Die Testgruppen wurden im Mittel über 27 Monate beobachtet. Es wurde geschaut, wie viele Testpersonen mit DOAK oder Vitamin-K-Antagonisten einen Schlaganfall oder eine systemische Embolie bekamen. Außerdem wurde untersucht, wie oft schwere oder andere Blutungen auftraten.

In der Studie wurde der Vitamin-K-Antagonist Warfarin eingesetzt. In Deutschland ist der sehr ähnliche Vitamin-K-Antagonist Phenprocoumon gebräuchlich.

Die Ergebnisse im Einzelnen

Wirksamkeit

Können DOAK Schlaganfälle besser verhindern als Vitamin-K-Antagonisten?

Die vorliegende Netzwerk-Metaanalyse untersuchte, wie gut DOAK und Vitamin-K-Antagonisten systemische Embolien verhindern können. Embolien entstehen, wenn Blutgerinnsel durch die Blutbahn wandern und dabei ein Gefäß verstopfen. Ein Schlaganfall ist eine besondere Form der Embolie. Wir haben keine Studien gefunden, die ausschließlich Schlaganfälle untersucht haben.

Etwa 3 von 100 Menschen, die ein DOAK einnahmen, bekamen in einem Zeitraum von im Mittel 27 Monaten einen Schlaganfall oder eine systemische Embolie. In der Gruppe derjenigen, die Warfarin einnahmen, bekamen etwa 4 von 100 Menschen einen Schlaganfall oder eine systemische Embolie.

Können DOAK im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten mehr Todesfälle verhindern?

In der vorliegenden Arbeit wurden alle Todesfälle erfasst. Es wird nicht weiter darauf eingegangen, woran die Testpersonen verstarben. Damit lässt sich nicht sagen, ob diese Todesfälle durch das Vorhofflimmern oder durch etwas völlig anderes verursacht wurden.

In der Testgruppe, die ein DOAK einnahm, verstarben in einem Zeitraum von im Mittel 27 Monaten etwa 7,8 von 100 Personen. In der Vergleichsgruppe, die Vitamin-K-Antagonisten einnahm, verstarben in dieser Zeit etwa 8,4 von 100 Menschen.

Der Unterschied ist gering, aber statistisch nachgewiesen. Um den kleinen Unterschied zu verdeutlichen, wird hier auf eine Rundung der Zahlen verzichtet.

Schaden

Auftreten von Blutungen

Wenn ein Blutgefäß verletzt wird, bildet sich an der Wunde schnell ein Verschluss: Das Blut gerinnt. Die Blutgerinnung verhindert, dass bei einer Verletzung lebenswichtiges Blut verloren geht. Gerinnungshemmer behindern diesen Prozess. Deshalb sind Blutungen als Nebenwirkung möglich. Solche Blutungen können mitunter lebensgefährlich sein. Deshalb wurde in den Zulassungsstudien auch geprüft, ob DOAK mehr schwere Blutungen verursachen als Vitamin-K-Gegenspieler.

Zu den schweren Blutungen gehören Gehirnblutungen und Blutungen im Verdauungstrakt. Weniger schwere Blutungen sind z. B. Zahnfleischbluten. Auch kleine Verletzungen können länger bluten, wenn man blutverdünnende Medikamente einnimmt.

Unter DOAK traten in einem mittleren Zeitraum von 27 Monaten insgesamt nicht mehr schwerwiegende Blutungen auf als unter Warfarin. Bei 5-6 von 100 Teilnehmenden traten schwere Blutungen auf. Ein Unterschied ließ sich statistisch nicht nachweisen.

Vorteile der DOAK zeigten sich in Bezug auf Gehirnblutungen. Bei denjenigen, die DOAK einnahmen, traten Blutungen im Kopf bei weniger als 1 von 100 Personen auf. In der Warfarin-Gruppe war 1 von 100 Personen von einer solchen Blutung betroffen.

Vorteile von Warfarin zeigten sich in Bezug auf Blutungen im Verdauungstrakt. Bei denjenigen, die DOAK einnahmen, traten Blutungen im Verdauungstrakt bei drei von 100 Personen auf. In der Warfarin-Gruppe waren 2 von 100 Personen von einer solchen Blutung betroffen.

Einschränkungen

Bei der vorliegenden Netzwerk-Metaanalyse handelt es sich um eine Zusammenfassung von Ergebnissen aus den Zulassungsstudien von vier verschiedenen DOAK. Die Verfasser der Netzwerk-Metaanalyse haben nicht nach weiteren Studienergebnissen zu den DOAK gesucht. Es könnte also noch weitere Studien geben, die in dieser Zusammenfassung nicht berücksichtigt wurden.

Die Verfasser der Netzwerk-Metaanalyse berichten nicht vollständig über ihr Vorgehen. Man kann daher nicht sicher sein, ob die zusammengefassten Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit korrekt sind, insbesondere weil die sehr kleinen Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen nicht ins Gewicht fallen.

Ein weiteres Problem betrifft die Behandlung der Warfarin-Gruppen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft weist darauf hin, dass die Teilnehmenden in den Warfarin-Gruppen nach deutschem Standard keine optimale Dosis bekamen. Das könnte mit ein Grund dafür sein, dass die Ergebnisse in den Warfarin-Gruppen der vier Studien schlechter ausfielen, als in Wirklichkeit zu erwarten wäre.

Zwei weitere Umstände können dazu führen, dass die in den Studien beobachteten Ergebnisse in der Realität nicht so deutlich ausfallen.

Zum einen waren die Teilnehmenden in den vier Studien verhältnismäßig jung und sie unterschieden sich hinsichtlich ihres Schlaganfallrisikos. Vorhofflimmern ist aber eine Erkrankung, die mit dem Alter zunimmt. Menschen in höherem Alter haben oft mehr Begleiterkrankungen und ein höheres Schlaganfallrisiko als jüngere Menschen. Daher sind in der Realität mehr Schlaganfälle und auch mehr unerwünschte Wirkungen zu beobachten als in den Studien.

Woher stammen die Informationen?

Die Informationen dieser Darstellung stammen aus einer Netzwerk-Metaanalyse, die die Ergebnisse von vier Zulassungsstudien (RCT) zusammenfasst. In den Zulassungsstudien wurde jeweils ein DOAK mit dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin verglichen. Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Teilnehmenden, die Warfarin erhielten, sowie diejenigen, die ein DOAK in einer Standarddosis bekamen. Insgesamt nahmen an den Zulassungsstudien 58.634 Menschen mit Vorhofflimmern und einem erhöhten Schlaganfallrisiko teil. Der Frauenanteil in den Studien betrug etwa 37 Prozent. Das mittlere Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war 72 Jahre, etwa ein Viertel der Teilnehmenden war unter 65 Jahre alt. Das mittlere Gewicht betrug 81 kg. Ungefähr 50 Prozent der Teilnehmenden hatten drei oder mehr zusätzliche Risikofaktoren für einen Schlaganfall.

Die Einschlusskriterien unterschieden sich zwischen den Studien z. B. in ihrem Mindestwert für das Schlaganfallrisiko. Nicht teilnehmen durften an den Studien u. a. Menschen mit Vorhofflimmern, die ein erhöhtes Blutungsrisiko zeigten.

Die vier Studien wurden von pharmazeutischen Unternehmen finanziert, die Autoren der Netzwerk-Metaanalyse erhielten keine finanzielle Unterstützung von Unternehmen.

Interessenkonflikte Quellen