Studiencheck

Eine Möglichkeit der Behandlung von Dranginkontinenz ist die Elektrostimulation. Dabei werden mittels elektrischer Reize Nerven angeregt, die Einfluss auf die Blasenfunktion haben. Es stehen verschiedene elektrotherapeutische Verfahren zur Verfügung, die nicht mit Operationen verbunden sind. Eines davon ist die perkutane Elektrostimulation des Schienbeinnervs (Nervus tibialis). Dabei wird im Bereich des Innenknöchels in der Nähe des Schienbeinnervs eine feine Nadelelektrode in die Haut eingebracht. Die Nadel ist mit einem Gerät verbunden, das kurze elektrische Impulse mit geringen Stromstärken aussendet. Der Scheinbeinnerv ist nicht direkt an der Regulierung der Blasenentleerung beteiligt. Man geht aber davon aus, dass der Schienbeinnerv andere Nerven beeinflusst, die mit der Blasenentleerung im Zusammenhang stehen. Mit der Elektrostimulation soll verhindert werden, dass sich der Blasenmuskel zu häufig zusammenzieht und sich die Harnblase ungewollt entleert.
 
Im "Studiencheck Elektrostimulation des Schienbeinnervs mittels Nadel“ wurde der Nutzen und Schaden dieser Methode anhand der aktuellen wissenschaftlichen Studiendaten geprüft. 

Was wurde untersucht? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

In zwei randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) wurde untersucht, ob die Elektrostimulation zu einer Verbesserung der Dranginkontinenzbeschwerden und der Lebensqualität führen kann. Gegenstand der Studien war darüber hinaus, inwiefern sich die täglichen Dranginkontinenzepisoden bei den Studienteilnehmern verringerten und ob die Elektrostimulation mit Nebenwirkungen verbunden war.

An den Studien nahmen Personen teil, deren Dranginkontinenz auf keine fassbare körperliche Ursache, wie eine Erkrankung des Nervensystems, zurückzuführen war. In einer Studie waren die Teilnehmer und Teilnehmerinnen seit ungefähr 10 Jahren von Dranginkontinenz betroffen. In der zweiten, kleineren Studie fanden sich dazu keine Informationen. Die Teilnehmenden erhielten jeweils entweder:

  • Zwölf Sitzungen mit perkutaner Elektrostimulation des Schienbeinnervs zu je 30 Minuten, abhängig von der jeweiligen Studie einmal oder dreimal pro Woche
  • Zwölf Sitzungen mit einer Scheinbehandlung des Schienbeinnervs zu je 30 Minuten, abhängig von der jeweiligen Studie einmal oder dreimal pro Woche. Die Scheinbehandlung wurde in vergleichbarer Weise wie die Elektrostimulation durchgeführt, aber ohne tatsächliche Reizung des Schienbeinnervs.

Die Ergebnisse im Einzelnen

Nutzen der Behandlungsmethode Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Bei wie vielen Personen verbesserten sich die Dranginkontinenzbeschwerden, nachdem sie mit Elektrostimulation des Schienbeinnervs mittels Nadel behandelt wurden?

Im Anschluss an die Behandlung bzw. Scheinbehandlung über zwölf Sitzungen wurden die Teilnehmenden befragt, ob sich aus ihrer persönlichen Einschätzung die Beschwerden verbesserten.

Die folgenden Zahlen basieren auf einer rechnerischen Zusammenfassung der Ergebnisse der beiden Studien.

Nach der Elektrostimulation des Schienbeinnervs verbesserten sich demnach die Dranginkontinenzbeschwerden bei 41 von 100 Personen. Nach der Scheinbehandlung verbesserten sich die Dranginkontinenzbeschwerden bei 19 von 100 Personen.

Reduzierten sich durch die Elektrostimulation des Schienbeinnervs mittels Nadel die täglichen Dranginkontinenzepisoden?

Im Anschluss an die Behandlung bzw. Scheinbehandlung über zwölf Sitzungen wurde die Anzahl der täglichen Dranginkontinenzepisoden erfasst. Dazu füllten die Teilnehmenden über drei Tage ein Miktionstagebuch (Blasentagebuch) aus. 

Das Ergebnis: Elektrostimulation kann die Anzahl der Dranginkontinenzepisoden innerhalb von 24 Stunden merklich stärker verringern als die Scheinbehandlung.


Verbesserte sich durch die Elektrostimulation des Schienbeinnervs mittels Nadel auch die Lebensqualität mit Dranginkontinenz?

Auch mögliche Veränderungen der Lebensqualität nach der Behandlung bzw. Scheinbehandlung über zwölf Sitzungen wurden untersucht. Dies geschah mit Hilfe von verschiedenen Fragebögen, die speziell auf die Abfrage der Lebensqualität bei Dranginkontinenz ohne fassbare körperliche Ursache ausgelegt waren.

Das Ergebnis: Die Lebensqualität bei Dranginkontinenz kann durch die Elektrostimulation stärker als durch die Scheinbehandlung erhöht werden.

Schaden der Behandlungsmethode Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Bei wie vielen Personen traten Nebenwirkungen in Zusammenhang mit der Elektrostimulation des Schienbeinnervs auf?

In einer der beiden Studien berichteten 5 von 100 Personen, die mit Elektrostimulation behandelt wurden, über leichte bis mäßige Nebenwirkungen. Dazu zählten: Einblutungen an der Einstichstelle der Nadel, Unbehagen an der Einstichstelle, Bluterguss am Knöchel sowie Kribbeln im Bein. Bei einigen dieser Personen traten auch mehr als eine der genannten Nebenwirkungen auf. Diejenigen, die nur eine Scheinbehandlung erhielten, berichteten keine Nebenwirkungen. In der zweiten Studie finden sich keine Angaben zu Nebenwirkungen.

Von schweren Nebenwirkungen waren keine Teilnehmenden betroffen.

Woher stammen diese Informationen? Quellen Interessenkonflikte

Wissenschaftliche Beratung: PD Dr. med. Karl Horvath, Univ.Ass. Mag.rer.nat. Thomas Semlitsch

Erstellt im September 2019. Nächste geplante Aktualisierung: Oktober 2025