Studiencheck

Eine Behandlungsmöglichkeit bei Dranginkontinenz ist die Elektrostimulation des Schienbeinnervs (Nervus tibialis) mittels auf der Haut angebrachter Elektroden. Diese Form der Elektrostimulation des Schienbeinnervs nennt man auch transkutane Tibial-Nerv-Stimulation (TTNS). Dabei werden die Elektroden im Bereich des Innenknöchels aufgeklebt. Die Elektroden sind mit einem Gerät verbunden, das kurze elektrische Impulse mit geringen Stromstärken aussendet. Der Scheinbeinnerv ist nicht direkt an der Regulierung der Blasenentleerung beteiligt. Man geht aber davon aus, dass der Schienbeinnerv andere Nerven beeinflusst, die mit der Blasenentleerung im Zusammenhang stehen. Mit der Elektrostimulation soll verhindert werden, dass sich der Blasenmuskel zu häufig zusammenzieht und sich die Harnblase ungewollt entleert.

Im "Studiencheck Elektrostimulation des Schienbeinnervs mittels auf der Haut angebrachter Elektroden“ wurde der Nutzen und Schaden dieser Methode anhand von aktuellen wissenschaftlichen Studiendaten geprüft.

Die Ergebnisse im Einzelnen Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Nutzen von transkutaner Elektrostimulation des Schienbeinnervs im Vergleich zu einer Scheinbehandlung

Zum Nutzen der transkutanen Elektrostimulation liegen vier, größtenteils sehr kleine randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs) vor, in denen die Methode gegenüber einer Scheinbehandlung untersucht wurde. Die Ergebnisse von zwei Studien zeigten, dass eine transkutane Elektrostimulation im Vergleich zu einer Scheinbehandlung zu einer Verbesserung der Inkontinenzbeschwerden führen kann. Im Hinblick auf die Anzahl der täglichen Dranginkontinenzepisoden (untersucht in einer Studie) und die Lebensqualität (untersucht in zwei Studien) zeigten sich jedoch keine Unterschiede zwischen denjenigen, die mit einer Elektrostimulation behandelt wurden, und denjenigen, die eine Scheinbehandlung erhielten.

Schaden von transkutaner Elektrostimulation

Ob aufgrund der transkutanen Elektrostimulation Nebenwirkungen auftraten, wurde in keiner der Studien untersucht.

Warum sind die Ergebnisse der Studien nicht zuverlässig? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse ist eingeschränkt, weil insgesamt nur 111 von Dranginkontinenz betroffene Patienten und Patientinnen in den Studien untersucht wurden. Zwei der Studien weisen zudem Mängel in der methodischen Vorgehensweise auf.

Wer hat an den Studien teilgenommen? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

An den vier Studien nahmen Menschen teil, deren Dranginkontinenz auf einen Schlaganfall oder Parkinson zurückzuführen war, sowie ältere Menschen aus Pflegeheimen, bei denen keine körperliche Ursache für die Dranginkontinenz gefunden wurde. In einer der vier Studien waren alle Teilnehmer männlich, in einer weiteren betrug der Anteil der Männer 44%. In den beiden anderen Studien finden sich keine Angaben zum Anteil der Geschlechter. 

Das mittlere Alter der Teilnehmenden lag in einer Studie bei 85 Jahren, ansonsten bei rund 60 bis 67 Jahren. 

Angaben zur Dauer der Dranginkontinenz lieferte nur eine Studie: Die Teilnehmenden waren in der Behandlungsgruppe im Mittel seit zwei Jahren und in der Vergleichsgruppe mit Scheinbehandlung im Mittel seit einem halben Jahr von Inkontinenzbeschwerden betroffen. Informationen über den Schweregrad der Inkontinenz enthielt keine der Studien.

An einer Studie durften auch Personen teilnehmen, die zusätzlich zur Elektrostimulation Medikamente zur Behandlung der Dranginkontinenz erhielten, wenn die Behandlung mit Medikamenten seit mindestens drei Monaten bestand und während der Studie nicht verändert wurde. Der tatsächliche Anteil der Personen in dieser Studie, die Medikamente einnahmen, ist dabei nicht bekannt. In den übrigen Studien fanden sich keine Aussagen zu einer möglichen medikamentösen Therapie vor oder während der Studie.

Durchgeführt wurden die Studien in Brasilien und Großbritannien.
  
Die Informationen stellen keine endgültige Bewertung dar, sondern basieren auf den besten derzeit verfügbaren Erkenntnissen. Neue Studien können die Ergebnisse verändern. 

Quellen Interessenkonflikte

Wissenschaftliche Beratung: PD Dr. med. Karl Horvath, Univ.Ass. Mag.rer.nat. Thomas Semlitsch

Erstellt am 05.12.2019. Nächste geplante Aktualisierung: 01.12.2025