Studiencheck
Das Beckenbodentraining ist ein Verfahren zur Behandlung der Dranginkontinenz. Dabei wird die Beckenbodenmuskulatur durch Übungen wie dem schnellen und anhaltenden Zusammenziehen der Muskulatur trainiert. Angeleitet werden die Übungen von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Das Training umfasst in der Regel auch eine selbständige Wiederholung der erlernten Übungen zu Hause. Da die Beckenbodenmuskulatur daran beteiligt ist, den Urin zu halten, geht man davon aus, dass durch eine Kräftigung dieser Muskulatur einem ungewollten Verlust von Urin entgegengewirkt werden kann.
Im "Studiencheck Beckenbodentraining" wurde der Nutzen und Schaden von alleinigem Beckenbodentraining anhand der aktuellen Studienlage untersucht.
Die Ergebnisse im Einzelnen
Nutzen von Beckenbodentraining im Vergleich zu keiner Behandlung
In drei randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) wurde untersucht, ob durch ein sechs- bis zwölfwöchiges alleiniges Beckenbodentraining die Anzahl der sogenannten Dranginkontinenzepisoden innerhalb von 24 Stunden zurückging. In zwei Studien konnte durch das Beckenbodentraining kein Rückgang erreicht werden. Die dritte, allerdings sehr kleine Studie zeigte eine Verbesserung auf. Dementsprechend scheint insgesamt das Beckenbodentraining keine Verringerung der Dranginkontinenzepisoden erzielen zu können.
Ein ähnliches Bild zeigte sich mit Blick auf die Lebensqualität bei Inkontinenz. In zwei Studien wurde kein Unterschied zwischen der Gruppe mit alleinigem Beckenbodentraining und der Kontrollgruppe ohne Beckenbodentraining gefunden. Nur die dritte, wiederum sehr kleine Studie zeigte einen Unterschied in der Lebensqualität bei Inkontinenz zugunsten des Beckenbodentrainings im Vergleich zu keiner Behandlung. Daher scheint insgesamt das alleinige Beckenbodentraining bei erwachsenen Frauen mit Dranginkontinenz keinen Einfluss auf die Lebensqualität zu haben.
Schaden von Beckenbodentraining
Ob durch Beckenbodentraining auch Nebenwirkungen auftreten können, wurde nur in einer der drei Studien untersucht. Hiernach hat das Beckenbodentraining keine Nebenwirkungen.
Warum sind die Ergebnisse der Studien nicht zuverlässig?
In allen drei randomisiert-kontrollierten Studien nahmen zusammengenommen nur 47 Frauen mit Dranginkontinenz und 46 Frauen mit überaktiver Blase teil, die das Beckenbodentraining oder keine Behandlung erhielten. Aus der Studie mit Frauen mit überaktiver Blase geht nicht eindeutig hervor, wie viele der 46 teilnehmenden Frauen von Dranginkontinenz betroffen waren. Auch weisen die Studien methodische Mängel auf.
Sind die Ergebnisse übertragbar?
Inwieweit die Ergebnisse der Studien auf andere Personengruppen, wie z. B. jüngere Frauen mit Dranginkontinenz oder Männer, übertragbar sind, ist unklar. Aufgrund der unterschiedlichen Anatomie von Frauen und Männern im Bereich des Beckenbodens ist eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Männer allerdings fraglich
Was ergaben Studien zu anderen Beckenbodentrainings?
Zwei weitere randomisiert-kontrollierte Studien (Huang et al. 2019; Kim et al. 2011) untersuchten ein Beckenbodentraining, aber eingebettet in ein dreimonatiges Yoga- oder Fitnessprogramm. In einer der Studien wurden die Effekte dieses Trainings dabei im Vergleich zu einer Scheinbehandlung ohne Einfluss auf den Beckenboden und in der anderen Studie im Vergleich zu keiner Behandlung geprüft. Auch an diesen Studien nahmen nur Frauen teil. Es konnten ebenfalls keine Verbesserungen im Hinblick auf die Dranginkontinenzepisoden innerhalb von 24 Stunden nachgewiesen werden. Ob die Behandlungen Einfluss auf die Lebensqualität haben, wurde nicht untersucht. Die Studienautoren gehen davon aus, dass aufgetretene Nebenwirkungen nicht auf das Yoga-Programm zurückzuführen sind. Ob Beckenbodentraining im Rahmen eines Fitnessprogramms zu Nebenwirkungen führt, wurde nicht berichtet. Die methodische Qualität der Studien ist niedrig beziehungsweise moderat.
Die Informationen stellen keine endgültige Bewertung dar, sondern basieren auf den besten derzeit verfügbaren Erkenntnissen.
Wissenschaftliche Beratung: Univ. Ass. Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch; PD Dr. med. Karl Horvath (beide Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Universität Graz).
Autorinnen und Autoren: Claudia Höppner, Michael Mibs
Erstellt am 25.06.2019. Zuletzt aktualisiert: 28.05.2024. Nächste geplante Aktualisierung: Mai 2029.