Symptome googeln, Terminvergabe digital, E-Rezept oder Videosprechstunde – dies ist keine Zukunftsmusik mehr. Die Digitalisierung kommt – auch im Gesundheitsbereich.
Dabei wächst die Gefahr, dass fehlende Technik und fehlendes Knowhow die Gesellschaft spaltet – in Informierte und Uninformierte.
Niemanden zurücklassen! Gesundheitsinformationen im digitalen Zeitalter.
Aus Studien weiß man, dass ältere Menschen, Personen mit geringerer formaler Bildung ebenso wie Menschen mit chronischen Erkrankungen sich anders informieren als die Gesamtbevölkerung. Auf diese Situation gehen viele Informationsangebote noch zu wenig ein – auch mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen.
In unserer aktuellen Studie haben wir uns als Stiftung Gesundheitswissen auf Spurensuche begeben. Am Beispiel chronischer Erkrankungen können wir zeigen, wie unterschiedlich die Informationsquellen, Fragen und Themen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen sind. Dieses Wissen hilft, Informationsangebote so zu gestalten, dass alle einen Zugang zu Gesundheitswissen erhalten.
Menschen mit chronischen Erkrankungen – eine Bestandsaufnahme
Chronische Erkrankungen, dazu gehören beispielsweise: Arthrose, Bluthochdruck oder Diabetes, nehmen im Alter dynamisch zu. Während ca. ¾ der Altersgruppe der 30 – 49jährigen ihren Gesundheitszustand noch als gut bis sehr gut beschreibt, kehrt sich das Bild in höheren Altersgruppen ins Gegenteil. Sowohl das Alter als auch die krankheitsbedingen Einschränkungen führen dazu, dass die Mehrheit der chronisch Erkrankten, nämlich 57%, nicht mehr berufstätig ist. Daher gehört ein überproportional großer Teil der Gruppe zu den Menschen mit sehr niedrigem Einkommen.
Dies bedeutet, dass auch Ressourcen fehlen, die sonst in technische Geräte, Informationsmedien oder in gesundheitsfördernde Angebote investiert werden könnten.
Hinzu kommt, dass die Belastungen durch eine chronische Erkrankung viel stärkere Selbstmanagementfähigkeiten und ein viel größeres Gesundheitswissen erfordern, um am Alltag teilhaben zu können. Wie schwer das ist, zeigen unsere Daten. 25% der chronisch Erkrankten fühlen sich im Alltag eingeschränkt. Bei mehrfach Erkrankten sind es sogar 40 %.
Weitaus bedenklicher finde ich, dass in der Gruppe mit den erheblichen Einschränkungen auch das geringste Vertrauen vorhanden ist, was den eigenen Einfluss auf die Erkrankung betrifft.
So sagen 52 % sie hätten so gut wie keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Erkrankung. In der Gruppe ohne Einschränkungen glauben das nur 24 %.
Diese Einschätzung kann z.B. mit immer wiederkehrenden Schmerzen oder anderen Belastungen erklärt werden. Gleichzeitig wird es schwieriger, optimistisch auf unterstützende Angebote zuzugehen.
Die Verfügbarkeit von Informationen über das Leben mit einer Erkrankung ist daher elementar.
Ein entsprechend großes Interesse an Gesundheitsinformationen ist bei Menschen mit chronischen Erkrankungen vorhanden – deutlich größer sogar als in der Allgemeinbevölkerung. Dies betrifft vor allem Informationen, die die eigene Situation aufgreifen, wie die Wirksamkeit von medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien, die Wahl von Ärzten und Krankenhäusern oder den Verlauf der Erkrankung. Auch die Rechte von Patienten sind ein wichtiges Thema.
Zum Vergleich: Das Informationsinteresse von nicht chronisch Erkrankten sieht deutlich anders aus. Aber nicht nur Themen sind verschieden, es sind auch die bevorzugten Informationsquellen, die sich unterscheiden. So werden Gespräche mit Haus- und Fachärzten und mit Freunden verstärkt zur Information genutzt. Auch bei Apothekenzeitschriften und bei Beiträgen im Fernsehen fallen die Unterschiede auf.
Dies führt zu der Situation, dass Informationen immer häufiger digital vorhanden sind, die bevorzugten Informationsquellen aber analoger Art sind – zumindest im Moment noch.
Daraus ergeben sich zentrale Fragestellungen: Wie können Menschen mit den Informationen versorgt werden, die sie konkret benötigen? Muss sich dafür das Gesundheitswesen ändern, das gerade auf den Weg der Digitalisierung eingebogen ist? Müssen sich die Menschen verändern, damit sie mit der Digitalisierung mithalten können? Oder müssen sich System und Menschen verändern?
Diese Fragen werden umso brisanter, wenn es um Menschen mit dringenden gesundheitlichen Bedarfen geht, wie ältere, chronisch erkrankte oder finanziell schlechter gestellte.
Ich glaube, hier braucht es einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, damit alle an unserer digitalisierten Wissensgesellschaft teilhaben können. Es geht nicht mehr nur darum, Informationen weiterzugeben. Es geht auch darum, die Kompetenzen zu vermitteln, die nötig sind, um Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Zu dieser Aufgabe können nicht nur Ärztinnen und Ärzte oder Lehrerinnen und Lehrer beitragen, sondern auch alle Anbieter von verlässlichen Gesundheitsinformationen. Der Leitspruch unserer Stiftung „Wissen ist gesund“ bekommt in einem Zeitalter der Digitalisierung eine besondere Bedeutung. Stärker als zuvor geht es darum, niemanden zurücklassen – und allen zu ermöglichen, etwas für ihre eigene Gesundheit zu tun.