Studiencheck
Erstellt im Dezember 2022
Wissenschaftliche Beratung: Dr. med. Dagmar Lühmann, Prof. Dr. med. Martin Scherer
Der Covid-19-Impfstoff der Firma Valneva ist seit dem 24.06.2022 in der Europäischen Union für Menschen zwischen 18 und 50 Jahren zugelassen. Es handelt sich um einen Ganzvirus-Impfstoff. Im vorliegenden Studiencheck haben wir Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit des Covid-19-Impfstoffs von Valneva anhand der veröffentlichten Studiendaten zusammengefasst.
Wirksamkeit und Sicherheit von Valneva wurden in einer Zulassungsstudie untersucht. An der Studie nahmen über 4000 Menschen teil. 2975 Teilnehmende waren 30 Jahre oder älter. Alle Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt:
- Eine Gruppe erhielt den Impfstoff Covid-19 Valneva.
- Eine Gruppe erhielt den Impfstoff AstraZeneca (Vergleichs-Impfstoff).
Beide Gruppen bekamen im Abstand von 28 Tagen zwei Spritzen in den Oberarmmuskel.
Unter anderem folgende Fragen wurden in der Studie untersucht:
- Aktiviert der Valneva-Impfstoff das Immunsystem genauso gut oder besser als der Impfstoff von AstraZeneca?
- Wie häufig treten Impfreaktionen auf?
- Welche Impfreaktionen treten auf?
- Wie häufig kommt es durch die Impfung zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (bis zwei Wochen nach der zweiten Impfung)?
Um zu untersuchen, wie gut der Impfstoff das Immunsystem aktiviert, wurde den Testpersonen Blut abgenommen, und zwar direkt vor den Impfungen (Tag 1 und Tag 29) und zwei Wochen nach der zweiten Impfung (Tag 43). Das Blut wurde auf bestimmte Immunzellen und Abwehrstoffe (Antikörper) hin untersucht.
Hinweis: Testpersonen unter 30 Jahren erhielten nicht den Impfstoff AstraZeneca, weil er für die Altersgruppe zum Zeitpunkt der Studie in Großbritannien nicht empfohlen wurde. Für diese Altersgruppe gab es in der Studie keine Vergleichsgruppe.
Die Ergebnisse im Einzelnen
Um zu untersuchen, wie gut der Impfstoff das Immunsystem aktiviert, wurden 43 Tage nach der Impfung verschiedene Antikörper und Immunzellen im Blut der Testpersonen gemessen:
- Neutralisierende Antikörper: Sie verhindern, dass das Virus in Körperzellen eindringen kann.
- Bindende Antikörper: Sie markieren das Virus für andere Immunzellen, die es dann abbauen.
- T-Zellen: Sie können Zellen, die vom Virus befallen sind, abtöten oder andere Immunzellen zur Hilfe holen.
Tabelle: Wie viele Personen zeigten 43 Tage nach der Impfung die gewünschte Reaktion des Immunsystems (vierfacher Anstieg des Antikörperspiegels)?
In den Blutproben der Valneva-Gruppe (ab 30 Jahre) ließen sich mehr neutralisierende Antikörper als in den Blutproben der AstraZeneca-Gruppe (ab 30 Jahre) feststellen. Testpersonen unter 30 Jahren hatten deutlich mehr neutralisierende Antikörper als ältere Testpersonen der Valneva-Gruppe.
Die Anzahl der bindenden Antikörper war in der Valneva-Gruppe (ab 30 Jahre) und der AstraZeneca-Gruppe (ab 30 Jahre) vergleichbar hoch.
In einer weiteren Auswertung fanden die Forschenden heraus, dass der Anteil der Testpersonen in der Valneva-Gruppe (ab 30 Jahre) und der AstraZeneca-Gruppe (ab 30 Jahre), deren Antikörperspiegel durch die Impfung um das Vierfache angestiegen war, in beiden Gruppen gleich groß war.
Zusätzlich zu den Abwehrstoffen wurde geprüft, ob sich im Blut T-Zellen befanden, die auf das Coronavirus und seine Bestandteile (u. a. das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus) reagieren. Bei der AstraZeneca-Gruppe zeigten 64 von 74 Personen (87 %) eine Reaktion der T-Zellen gegen das Spike-Protein. Bei der Valneva-Gruppe waren es 55 von 74 Personen (74 %).
Sicherheit des Impfstoffes
Nach einer Impfung können Beschwerden an der Einstichstelle auftreten, z. B. Schmerzen oder Rötung. Diese Beschwerden nennt man örtliche Impfreaktion. Andere Impfreaktionen können den ganzen Körper betreffen, wie etwa Fieber oder Kopfschmerzen. Sie werden als systemische Impfreaktionen bezeichnet. Diese Reaktionen sind ein Zeichen dafür, dass sich das Immunsystem mit dem Impfstoff auseinandersetzt. Impfreaktionen klingen in der Regel nach einigen Tagen von selbst wieder ab. Um die Häufigkeit solcher Impfreaktionen zu untersuchen, wurden alle Testpersonen aufgefordert, auffällige Beschwerden sieben Tage nach der jeweiligen Impfung in einem elektronischen Tagebuch zu vermerken.
Örtliche Impfreaktionen (rund um die Einstichstelle)
Tabelle: Wie häufig traten innerhalb von sieben Tagen nach der ersten und zweiten Impfung örtliche Impfreaktionen auf?
Nach der ersten Impfdosis gaben Testpersonen der Valneva-Gruppe (ab 30 Jahre) weniger örtliche Impfreaktionen an als Teilnehmende der AstraZeneca-Gruppe (ab 30 Jahre). Nach der zweiten Impfdosis zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich der Häufigkeit der örtlichen Impfreaktionen. Als häufigste Impfreaktion nannten die Probanden Druckempfindlichkeit und Schmerzen an der Einstichstelle. Diese Reaktionen wurden auch in der Gruppe der unter 30-Jährigen angegeben.
In diese Berechnungen wurden alle Testpersonen einbezogen, die mindestens eine Dosis des Covid-19-Impfstoffes von Valneva oder von AstraZeneca erhalten haben.
In keiner der Behandlungsgruppen wurden schwerwiegende örtliche Impfreaktionen berichtet.
Systemische Impfreaktionen (ganzer Körper)
Tabelle: Wie häufig traten innerhalb von sieben Tagen nach der ersten und zweiten Impfung systemische Impfreaktionen auf?
Insgesamt betrachtet gaben Testpersonen der Valneva-Gruppe (ab 30 Jahre) nach der ersten und zweiten Impfung weniger systemische Impfreaktionen an als Testpersonen der AstraZeneca-Gruppe (ab 30 Jahre).
Die häufigsten systemischen Impfreaktionen waren in allen Gruppen Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen nach der ersten und zweiten Impfung.
In diese Analysen wurden alle Testpersonen einbezogen, die mindestens eine Dosis des Covid-19-Impfstoffes von Valneva oder von AstraZeneca erhalten haben.
In keiner Gruppe wurden schwere systemische Impfreaktionen berichtet.
Wie häufig kommt es durch die Impfung zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen?
Außer den Angaben zu konkreten Impfreaktionen sieben Tage nach der jeweiligen Impfung wurden die Teilnehmenden gebeten, alle weiteren unerwünschten Ereignisse im Studienzeitraum zu berichten.
Unter unerwünschten Ereignissen versteht man Probleme und gesundheitliche Beschwerden, die nach einer Impfung auftreten können. Diese Ereignisse können, müssen aber nicht von der Impfung herrühren. Auch andere Auslöser sind denkbar. Nur wenn wirklich die Impfung die Beschwerden verursacht, kann man von Nebenwirkungen sprechen.
Unerwünschte Ereignisse wurden als „schwer“ bezeichnet, wenn z. B. übliche Aktivitäten und die Berufstätigkeit nicht möglich und eine medizinische Behandlung nötig waren oder die Möglichkeit von Lebensgefahr bestand. Als schwerwiegend gelten unerwünschte Ereignisse, wenn sie entweder zum Tod führen, lebensbedrohlich sind, einen Krankenhausaufenthalt erfordern oder verlängern oder erhebliche Behinderungen verursachen. Außerdem wurden unerwünschte Ereignisse dokumentiert, die bereits bei anderen Covid-Impfungen aufgetreten sind, z. B. das Guillain-Barré-Syndrom oder Herzmuskel-Entzündungen. Man spricht hier von „unerwünschten Ereignissen von besonderem Interesse“.
Tabelle: Schwere unerwünschte Ereignisse
Schwere unerwünschte Ereignisse, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, unerwünschte Ereignisse, die eine ungeplante medizinische Betreuung zur Folge hatten, sowie unerwünschte Ereignisse von besonderem Interesse waren in allen Testgruppen etwa gleich häufig. Die Testpersonen wurden mindestens 43 Tage lang beobachtet.
In diese Analysen wurden alle Probanden einbezogen, die mindestens eine Dosis des Covid-19-Impfstoffes von Valneva oder von AstraZeneca erhalten haben.
Alle bis Tag 43 aufgetretenen schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse wurden nicht als im Zusammenhang mit der Impfung stehend erachtet.
Weitere Zwischenergebnisse zeigen, dass auch nach einem längeren Nachbeobachtungszeitraum (im Durchschnitt 151,4 Tage nach der ersten Impfung) die Häufigkeit schwerwiegender unerwünschter Ereignisse in allen Testgruppen ähnlich ist (in jeder Testgruppe 1 von 100) und keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse als im Zusammenhang mit der Impfung stehend erachtet werden.
Der Covid-19-Impfstoff von Valneva wurde in Europa nur für die Altersgruppe von 18 bis 50 Jahren zugelassen. Für folgende Personengruppen lassen sich die Wirksamkeit und Sicherheit bisher nicht bewerten:
- Personen über 50 Jahre
- Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre
- Schwangere und Stillende
- Menschen mit Immunschwäche
- Menschen mit schweren Erkrankungen und schlechtem Gesundheitszustand
- Menschen mit nicht weißer Hautfarbe
Die Immunantwort und Sicherheit des Impfstoffes wurden 43 Tage nach der ersten Impfung überprüft. Bisher sind die langfristige Schutzwirkung und Sicherheit des Impfstoffes nicht zu beurteilen. Weitere Beobachtungen sind notwendig, um die langfristige Schutzwirkung und Sicherheit der Impfung zu erfassen.
Die Studie kann nicht aussagen, wie viele geimpfte Menschen an Covid-19 erkranken werden und wie wahrscheinlich ein schwerer Verlauf ist. Angaben zur Wirksamkeit gegen die Omikron-Variante sind nicht möglich.
Die Aussagesicherheit für die beiden primären Endpunkte zur Immunogenität des Covid-19-Impfstoffes von Valneva (titerneutralisierender Antikörper [Mittelwert] und Serokonversionsrate neutralisierender Antikörper) wurde aufgrund eines erhöhten Verzerrungsrisikos (aufgrund einer fehlenden ITT-Analyse, Bedenken hinsichtlich Verblindung und verdeckter Zuteilung und sowie Daten ohne Angabe von Gründen) sowie Indirektheit der Endpunkte als niedrig eingestuft. Die sogenannte Indirektheit der Endpunkte bezieht sich auf eine eingeschränkte Übertragbarkeit der Ergebnisse, da in der Studie von Lazarus et al. 2022 der Covid-19-Impfstoff von Valneva nicht in Bezug auf die Omikron-Variante untersucht wurde.
Die Aussagesicherheit zu dem primären Sicherheitsendpunkt (Häufigkeit eines jeglichen unerwünschten Ereignisses bis Tag 43) wurde aufgrund eines niedrigen Verzerrungsrisikos und keiner sonstigen Bedenken als hoch eingestuft. Das Gleiche gilt für die Sicherheitsendpunkte zur Häufigkeit örtlicher und systemischer Impfreaktionen. Die Aussagesicherheit für den Sicherheitsendpunkt „schwerwiegende unerwünschte Ereignisse“ bis zu 43 Tage nach der ersten Impfung wurde aufgrund fehlender Genauigkeit des Effektschätzers – bedingt durch eine geringe Ereigniszahl – als moderat eingestuft.
Die Informationen stellen keine endgültige Bewertung dar, sondern basieren auf den besten derzeit verfügbaren Erkenntnissen.