Mein Name ist Christina Barnekow. Meine Mutti ist 1949 geboren. Seit zehn Jahren leidet sie an Demenz. Meine Familie und ich leben gemeinsam mit ihr im gemeinsamen Haushalt. Es begann mit dem sechzigsten Geburtstag meiner Mutti, da ist sie aus dem Berufsleben ausgestiegen, war dann zuhause und ihr Verhalten wurde auffällig. Sie hat Termine vergessen, hat nicht mehr nach Hause gefunden. Vor fünf Jahren, als meine Tochter geboren wurde, war Mutti schon erkrankt. Wollte unbedingt mit dem Kinderwagen und der Lütten spazieren gehen. Wir dachten, wir lassen ihr das. Wir haben ein GPS in den Kinderwagen gelegt. Wir wussten immer, wo Mutti ist, Mutti war zufrieden, wir waren glücklich. Erst als die Erkrankung dann weiter voran schritt, wurde es halt auch schwieriger zuhause. Die Rollen haben sich komplett vertauscht. Eigentlich ist sie meine Mutti, aber irgendwie ist sie jetzt zu meinem Kind geworden, weil ich sie halt betreuen und pflegen muss, weil sie selbst nichts mehr kann.
Meine Mutter braucht meine Hilfe rund um die Uhr. Es beginnt mit dem morgendlichen Aufstehen, der Körperpflege, dann Frühstück, dann Fertigmachen, dann Medikamentengabe für die Tagespflege, dann kommt sie nach Hause, dann gibt‘s Abendessen, dann das Zubettbringen, am Wochenende mit ihr Unternehmungen. Das tägliche Leben ist rund um die Uhr dadurch geprägt, dass ich immer für sie da bin und dass ich sie begleite.
Hilfe bekommen wir von der Tagespflege, wohin sie fünf Tage geht, von Montag bis Freitag, eine sehr große Hilfe. Pflegedienst haben wir noch keinen, das machen wir alles noch selber zu Hause. Dann hat sie eine Betreuungsgruppe, wo sie drei Stunden in der Woche hingeht, sehr viel Spaß hat, immer sehr lustig nach Hause kommt. Einmal im Monat geht sie zum Tanzcafé, wo sie auch betreut wird.
Weitere Hilfe hol ich mir in einer Selbsthilfegruppe, die ich einmal im Monat besuche. Der Austausch mit anderen pflegenden Angehörigen ist sehr wichtig, um sich auszutauschen, Fragen zu stellen, "Wie machst Du das?", "Wie hast Du das geregelt?" Das ist echt ne große Unterstützung. Dann hab ich den Helferkreis, wo ich, wenn ich Hilfe brauche, wenn ich mal einen Termin habe, ich weiß, dass sie betreut werden muss, sag ich Bescheid, dass ist da dann auch kein Problem. Das sind so die Punkte, wo wir uns wirklich auch Hilfe geholt haben.
Die Pflege ist nicht immer einfach, das muss ich zugeben. Es ist herausfordernd, es fordert alle in der Familie. Nur der Zusammenhalt in der Familie gewährt die Pflege zuhause. Alleine würde man das kaum schaffen. Man soll sich Auszeiten nehmen, Hilfe in Anspruch nehmen. Das sind wichtige Punkte - dann klappt das auch. Wir haben uns mit der Situation arrangiert.
Wir richten uns den Tagesablauf so ein, dass wir alles eintakten können. Wenn sie zur Tagespflege abgeholt wurde, dann fahre ich zur Arbeit. Ich weiß, wann ich wieder zuhause sein muss, um sie wieder in Empfang zu nehmen. Sollte ich nicht können oder verhindert sein, dann kümmern sich auch meine großen Kinder um die Oma, oder auch mal die Nachbarin. Wir haben uns ein Netzwerk aufgebaut an Personen, die uns zur Seite stehen. Meine Tante, wenn wir im Urlaub sind, die sie dann betreut. Also wir haben schon Personen, die uns helfen und die uns zur Seite stehen, wenn wir Hilfe benötigen.
Die Familie ist durch die Situation enger zusammen gewachsen. Wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können, und das klappt auch wunderbar. Die positiven Momente sind sehr wenig geworden, aber wenn sie da sind, aber wenn sie da sind, dann weiß ich, dass sich die Pflege lohnt. Es gibt Momente, wo sie einfach lacht oder ein Sprichwort erzählt wo wir dachten, dass sie das gar nicht mehr kann, und dann weiß ich, dafür mach ich das, und dafür weiß ich, dass sich das lohnt.